Wie man stilvoll Abschied nimmt
Geschrieben von Ute Kretschmer-Risché | Blog

Seit ich denken und fühlen kann, bin ich Fan von Borussia Dortmund. Erstmals mit 4 oder 5 Jahren war ich an der Hand vom Oppa im Fußballstadion. Eine Frage der Familientradition. Der Leidenschaft und der Ehre (stelle man sich nur mal vor, ich hätte einen Schalker geheiratet …). Fußball begleitet mich auf vielfältige Weise. Privat, aber auch beruflich. Anleihen in Strategie, Wortwahl und Lebens-Philosophie. Ich nutze gerne Sinnbilder in Seminaren, Texten oder für grundsätzliche Botschaften. Wenn von Fairplay die Rede ist oder wenn ich jemandem die Rote Karte zeige. Wie man ein Team führt und motiviert. Oder warum wir Regeln brauchen und wieso nach dem Spiel vor dem Spiel ist. Also nach dem Job und vor dem Job …

Lassen Sie uns mal über Abschied reden. Da ich schon im fünften Jahrzehnt meinen Westfalen-Club mit Herzblut begleite, habe ich viele Spieler und Verantwortliche kommen und gehen sehen. Früher habe ich Rotz und Wasser geheult. Als Manni Burgsmüller wechselte. Der Star meiner Kindheit und Jugend. Als Votava, Chappi oder Dede gingen. Spieler wie Familienmitglieder. Dabei weiß ich genau, dass Wechsel zum Prinzip des Spiels gehören. Aus Altersgründen, zur Verbesserung und weil wir nicht jeden halten können und wollen. Wie in einer Familie, wenn eine Generation Abschied nimmt. Wie in einem Unternehmen, wenn eine Kündigung nicht den Weltuntergang bedeutet.

Letztendlich eine Frage der Kultur: Wie geht man in einem Betrieb mit dem Weggang von geschätzten Mitarbeitern um? Klar, sind wir nicht erfreut, wenn wir Jahrgangsbeste ausgebildet haben, die uns von Großunternehmen sofort weggeködert werden. Mehr Gehalt. Ein Firmenwagen im ersten Jahr usw. Da sind wir als Kleinunternehmen wie St.Pauli gegenüber Bayern München. Das heißt wir können durchaus Kult-Team und kreativer Underdog sein.

Doch „Entscheidend is aufm Platz“: Wie gehen wir miteinander um? So mancher Fan schrie unsportlich auf, als Mats Hummels Wechsel ausgerechnet zum Erzrivalen und Branchen-Primus ruchbar wurde. Eine Frage des Stils. Natürlich war auch ich enttäuscht. Einer von den Dortmunder Jungs, die eine Identifikationsfigur darstellen. Aber nützt ja nichts. Die Welt geht erstaunlicherweise nicht unter. Ich bewundere die Dortmunder Führung für ihr Standing: Enttäuschung zeigen, aber keine Blutgrätsche vornehmen. So muss es sein: Dem Scheidenden alles Gute wünschen, ein ordentliches Zeugnis ausstellen, einen guten Abgang mit großem Dankeschön ermöglichen – und zügig den Wechsel zu einem neuen Leistungsträger vorbereiten. Der König ist tot. Es lebe der König – das gilt auch für andere Positionen im Hofstaat des Königs Fußballs bzw. im Mitarbeiter-Team.

Vor ein paar Tagen sagte ein Kunde weise Worte zu mir: „Lassen Sie einem guten Mitarbeiter beim Abschied eine Hintertür offen. Sagen Sie ihm: Wenn es Ihnen bei der neuen Stelle nicht gefällt, lassen Sie uns miteinander reden …“ Na ja, das mag auf unserer schwarz-gelben Fan-Seite nicht unbedingt für Typen wie Mario Götze oder Lewandowski zählen. Denn andersherum gilt das auch für denjenigen, der kündigt: Alles eine Frage des Abgangs und der hoffentlich nicht verbrannten Erde! Ein paar Grashalme sollten nicht umgenietet werden. Deshalb hoffe ich auf ein gutes Spiel von unserem Kapitän am Samstag. Und auf meine Souveränität bei jedem Mitarbeiter-Abgang!

 

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Das Foto zeigt mich 2011 im schönsten Stadion der Welt mit dem Bild von Mats Hummels auf dem Trinkbecher.