„Ich bin kein Eiweich!“
Geschrieben von Ute Kretschmer-Risché | Blog

Zeige mir, wie du meine Hand schüttelst, und ich sage dir, was für ein Typ du bist. Gewagt? Die Kunst des Händeschüttelns ist eine Reise durch verschiedene Kulturen, der Hygiene-Ordnung und der Geschichte von Höflichkeit und Anstand. Diese Bilder gingen jüngst um die Welt: US-Präsident Trump quetschte die Hände seiner Kollegen von Kanada und Japan. An den Gesichtern seiner Gäste sah man den Schmerz. Nicht nur kräftig zupackend wirkte die Pranke des Republikaners, ja regelrecht marternd: lange, hin- und herruckelnd, massiv und dominant. Kein Entkommen im eigentlich nett gemeinten Begrüßungsakt.

Händeschütteln als non-verbale Kommunikation. So wie der Tonfall, der die Musik macht oder die komplette Körpersprache Ausdruck unserer Seele ist. Was mag ein Dolmetscher für Gestik und Mimik alles herauslesen? Bei Trump mag es einfach sein: Ich heiße dich willkommen – aber nach meinen Spielregeln! Also trainieren wir uns selbst. In „Mephisto“ von Klaus Mann probt der untertänige Protagonist Höfgen seinen Händedruck an einem Kleiderbügel. Weil „die Herrenrasse“ die Hand nicht wie einen weichen Fisch gebe.

Jetzt ist nicht anzunehmen, dass Trump Klaus Mann gelesen hat. Aber die Fisch-Analogie ist in unserer westlichen Welt weit verbreitet. Kräftige Händeschüttler gelten als durchsetzungsfähig, selbstbewusst und willensstark. Ganz anders kommt die grobmotorische Umklammerung in asiatischen oder arabischen Ländern an. Da gilt die zupackende Art als unhöflicher Akt und regelrechter Angriff. Deshalb führen Unternehmen interkulturelle Seminare für Business-Knigge durch. Was ist wo wie Usus und gewünscht.

Szene vor ein paar Wochen bei einem Bewerbertraining für Flüchtlinge: Jeder Arbeitssuchende aus Syrien, Iran oder Afghanistan legt mir seine Hand wie einen Hauch in meine. Ich weiß, das ist landestypisch – und mir doch sehr unangenehm. Also üben wir für den deutschen Arbeitsmarkt das kernigere Händeschütteln. Womit ich angewiderte Gesichtsausdrücke meiner Schüler ernte. Das kostet Überwindung. Ich überdenke mein Verhaltensbild. Muss das wirklich sein? Ist das nicht sehr klischeehaft: Ein Mann. Ein Händedruck. Wie ein Baum. Ich versuche zu erklären. Und muss über mich lächeln.

Seit wann bin ich so eingefahren in meinen Bildern? Ich nutze Wörter wie „Männlich. Kernig. Selbstbewusst. Energisch. Dominant.“ Und bekomme den wunderbaren Satz eines Syrers zu hören: „Ich bin kein Eiweich.“ Wahrhaftig: Händedruck reicht nicht als Charakterausdruck für das Gegenteil eines Weicheis. Lernen wir also dazu: Was bei anderen alltäglich ist, und wie wir emphatisch aufeinander zugehen. Geben wir unserem Gegenüber mehr Chancen des Kennenlernens als nur durch die Einstufung durch das Handgeben.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir … Oder reden wir darüber!

Foto: Agentur exakt