Typisch Frau? Typisch Mann?
Geschrieben von Ute Kretschmer-Risché | Blog

„Ach, Sie sind die Frau mit der Fußballfahne am Haus“, sagt ein älterer Mann zu mir. Doch mein Lächeln gefriert, als er fortfährt: „Das ist aber nicht typisch für eine Frau.“ Meine Schlagfertigkeit bleibt im Halse stecken. Gerne hätte ich ihn gefragt: „Was ist denn typisch?“ Im Grunde begleitet mich diese Frage mein Leben lang. Ich war schon immer Fußball-verrückt, in der Schule hatte ich Physik-Leistungskurs und meine Leidenschaft sind schnelle Autos. Backen und Stricken kann ich leider nicht. Anmutiges Tanzen ist mir auch nicht vergönnt. Aber ich grille mit großer Leidenschaft! Nach der Ansicht des älteren Mannes muss in meiner Erziehung wohl einiges schief gelaufen sein. Ich bin keine typische Frau! Definitiv nicht. Aber hallo, mir geht es gut!

Gerade in diesen Tagen beschäftigt mich die Frage nach Rollenbildern und zwangsläufig nach Klischees besonders. CDU-Landesvorsitzender Thomas Strobl wurde von der Stuttgarter Zeitung gefragt, ob er den  Wunsch der Frauen erfüllen könne, die Hälfte der Ministerposten mit Politikerinnen zu besetzen. Ein Teil seiner Antwort: „… Im Koalitionsvertrag haben wir übrigens deutliche Schwerpunkte gesetzt, die von den Frauen in der CDU sehr begrüßt wurden – das reicht vom Landtagswahlrecht bis hin zu einer gezielten Förderung von Familien und Kindern.“ Aha. Das ist das Frauenthema: Familien und Kinder. Diese Rollen-Zuordnung entspricht einem besonderen Klischee. Nein, das ist kein ausschließliches Frauenthema. Wenn schon dann ein gemeinsames Familienthema.

Umso erstaunlicher, dass ich von einem speziellen Abend-Einkaufserlebnis nur für Frauen in Rastatt lese. Mit besonderen Angeboten wie Schminktipps. Ich überprüfe das Datum, wann die Zeitung mit dieser Ankündigung erschienen ist. In den 50er oder 60er Jahren des letzten Jahrhunderts? Leider nein, das ist ganz aktuell ein Veranstaltungstipp für dieses Frühjahr. Ich war schon als junge Journalistin in den 80er Jahren eine entschiedene Gegnerin von speziellen Frauen-Seiten in Zeitungen. Für mich machen unterschiedlichen Themen für die beiden Geschlechter keinen Sinn. Vielmehr eine altersgerechte Aufbereitung: ein junger Mensch hat andere Interessen als ein älterer. Und da wären wir wieder: Was ist typisch Frau oder typisch Mann?

Bin ich ein gnadenloser Blaustrumpf? Wir hatten in dieser Woche wieder eine Praktikantin: Marie Feld, 15-jährige Schülerin. Wir verstehen uns sehr gut. Kein Wunder: Sie spielt Fußball, hat die Fächer Mathe und Physik gewählt und ist selbstsicher in ihrem Auftritt. Zudem hält sie uns ein Referat über erneuerbare Energien. Ich finde: eine tolle junge Frau. Typisch für das 21. Jahrhundert? Wir unterhalten uns über Gleichberechtigung (siehe unser Foto). Meine Frage: „Was ist für dich Emanzipation?“ Maries Antwort: „Wenn ich gar nicht mehr darüber nachdenken muss bzw. wenn es kein Thema mehr ist.“ Ich strahle sie an. „Und, was wünscht du dir als Frau für die Zukunft?“ Marie: „Dass ich meine Lebensplanung frei entscheiden kann und keine Vor- und Nachteile in Bezug auf Familie, Beruf und Alterssicherung abwägen muss.“ Ja, Marie, das wünsche ich dir auch! Das sollte typisch für Gegenwart und Zukunft sein.

Was meinen Sie? Bitte schreiben Sie mir:

Foto: Jens Lingenau