Unser eSmart – ich fühle mich wie Bertha Benz
Geschrieben von Stefan Risché | Blog

Wir brauchen ein Auto. Zum Ausfahren und Transportieren. Warum nicht ein Experiment wagen?! Ein Elektroauto. Genau gesagt ein Smart, aus dem Hause unseres Kunden Daimler. Pro und contra E-Mobilität füllen tausende Medienbeiträge. Aber wir wollen nicht rumeiern, sondern den Test starten. Sage und schreibe 9 Monate müssen wir von der Bestellung zur Auslieferung warten. Endlich kann ich für unsere Agentur den eSmart bei Wackenhut in Baden-Baden abholen. Ich freue mich auf die erste Tour. Komme mir vor wie Bertha Benz bei ihrer ersten Ausfahrt mit dem Patent-Motorwagen 1888.

131 Jahre sind seither vergangen. Viele automobile Innovationen füllten die Zeit. Jetzt die nächste Revolution: ein neuer Antrieb. Bereits um die Jahrtausendwende wollte ich elektrisch fahren. Doch alles, was damals von Tüftlern angeboten wurde, ähnelte eher einem Torpedo. Die Passagiere saßen hintereinander in einer Art Messerschmidt Kabinenroller. 1994 verfolgte ich mit Interesse die Bemühungen des Schweizer Unternehmers Nicolas Hayek, mit dem Swatch-Mobil ein vollelektrisches Fahrzeug auf die Straße zu bringen. Daimler-Benz übernahm, nannte es smart und beerdigte das Elektrokonzept.

Und nun, 20 Jahre später, lenke ich endlich mein Elektromobil. Anstelle zweier Söhne – wie einst bei Bertha Benz – sitzen Bonnie und Bandit neben mir, meine beiden Jack-Russell-Terrier. Natürlich angeschnallt. Es geht Gassi ins Grüne. Der Beifahrersitz wurde von der Schuhmann GmbH in Kraichtal professionell gegen eine Ladefläche ausgetauscht. Die Firma ist spezialisiert auf Umbauten zur Mobilität für Behinderte und Senioren. Anstelle des Beifahrersitzes können nun Lasten oder der Rollstuhl meiner Frau mit auf Reisen gehen. In nur wenigen Minuten kann auch der ausgebaute Beifahrersitz wieder installiert werden. Der Beifahrer-Airbag ist mit einem Handgriff am Armaturenbrett ein- oder auszuschalten. Ich bin angenehm überrascht von dieser durchdachten Flexibilität.

Bevor es los geht, wird das Stofffaltdach elektrisch geöffnet. B&B recken ihre Köpfchen interessiert nach oben. Boah – Himmel! Motor an und – Stille. Ist das Ding auch wirklich an? Ein grün leuchtendes „Ready“ meldet: Ja! Wir rauschen nahezu lautlos durch den Verkehr. Durch den anderweitigen Krach merkt kein Passant, dass wir ohne Motorenlärm unterwegs sind. Erst auf ruhigeren Seitenstraßen schaut der Ein oder Andere, was da an ihm vorbei schweigt. Wie gesagt – echtes Bertha Benz-hier-kommt-die-Zukunft-Feeling!

Auf dem Rückweg wage ich – mit Blick auf die Ladeanzeige – an einer Ampel einen Kavalierstart. Dem Hipster in seinem Citroên hinter mir ist in dem Moment wahrscheinlich seine E-Zigarette aus dem Mundwinkel gefallen. Unfassbar wie der eSmart aus dem Stand losfliegt. Solch ein Tritt auf das Gaspedal – sagt man das bei einem E-Mobil eigentlich? – kostet jedoch sage und schreibe 8 % Ladekapazität. Also lasse ich das in Zukunft besser, angesichts einer Range von lediglich 120 km. Hinter mir versucht der Citroên, an Boden zu gewinnen und qualmt heftig aus dem Auspuff.

Apropos Auspuffqualmen. Ende der 60er Jahre war ich als Zehnjähriger mit meinen Eltern auf den „Planken“ in Mannheim einkaufen. Schon damals heftiger Autoverkehr. Die Diesel qualmen wie blöd, und als ich als Passant hinter einem vorbei gehe, hüllt er mich in eine dreckige Abgaswolke. Ich sage zu meinem Vater: „Oh, das stinkt aber. Das ist doch blöd.“ Und ich wundere mich über die Antwort meines Vaters: „Diesel ist aber umweltfreundlich.“ Noch heute, 50 Jahre später, erinnere ich mich daran, weil mir die Antwort als Kind so völlig unverständlich erschien.

Nach der Rückkehr in die Agentur freue ich mich auf die sinnliche Erfahrung des Elektrotankens. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite unserer Agentur befindet sich eine Elektrotankstelle der Stadtwerke Rastatt, an der ich mit einer Tankkarte momentan noch kostenlos laden kann. Ja, wenn auf dem Platz vor der Elektrotankstelle nicht rotzfrech ein verbeulter schwarzer BMW Verbrenner stehen würde. Na klasse, wem gehört die Karre? Ein Blick ins Wageninnere – eventuell finde ich eine Adresse und kann dort klingeln? Aber es liegen nur leere Bierdosen im Wagen. Welch ein Statement: Ich bin ein Ignorant und saufe beim Fahren! Ich hinterlasse eine Notiz am Wischer.

Also weiter zur nächsten Elektrotankstelle. An meinem Wohn- und Arbeitsort weiß ich, wo ich auf diese spezielle Weise tanken kann. Für andere Städte muss ich im Voraus planen, um keine böse Überraschung zu erleben. Denn wenn mir der Strom ausgeht, kann ich nicht mit einem Reservekanister losziehen. Der Smart müsste abgeschleppt werden. Ob sich hier auch eine Innovation entwickeln wird, um nicht auf der Strecke zu bleiben? Ich bin mir sicher, dass sich auf diesem Markt noch vieles tun wird. Die Politik könnte jedenfalls auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene mehr Anreize schaffen: verbilligten Strom (über grüne Anbieter), freie Fahrbahnen wie für Busse und Taxen, kostenloses Parken in Innenstädten.

Ich finde die nächste E-Ladestation. Ein Vater mit seinen kleinen Söhnen hört uns nicht kommen, als er langsam über den Parkplatz schlendert. Ich bin versucht, mein Handy mit Ferrari-Sound aus der Dachluke zu halten. Aber dann merkt er doch, dass ich an die Tanke will. Ich hole mein Ladekabel aus dem Kofferraum, halte meine Tankkarte an den Sensor und stöpsle an. Seine Söhne fragen: „Was macht der Mann da?“ Ich kann nicht hören, was er ihnen antwortet. Wäre schön, wenn er ihnen sagen würde: „Der macht gerade Zukunft.“

Klar halte ich Sie auf dem Laufenden, wie unsere Erfahrungen sein werden. Eines ist jetzt schon klar: Angesichts der geringen Reichweite ist der eSmart eigentlich nur ein Zweitwagen. Oder eben die kleine Lösung für kurze Dienstwege.