Wenn Geschichte verduftet …
Geschrieben von Ute Kretschmer-Risché | Blog

Vor über zehn Jahren habe ich ein Buch veröffentlicht: „Wo warst du, als …“ Geschichten von und über Menschen, die Geschichte erlebt haben. Nicht als Handelnde, sondern als aktiv Beobachtende oder als passiv Betroffene. Jeder von uns kann sich an ein großes Weltereignis erinnern, bei dem er genau weiß, wann er davon gehört hat. Der Mauerfall, das Attentat auf die Twin Towers in New York oder noch länger zurück: JF Kennedy in Berlin. Manche Bilder sind fest im Kopf verankert, oft vermischt mit der Berichterstattung in den Nachrichten. Während die Welt Geschichte schreibt, tun wir oftmals Belangloses. Ich weiß noch, wie ich ein Stück Erdbeerkuchen in den Mund schob, als das Siegestor bei der WM 1974 für unsere Mannschaft fiel. Unvergessen. Es war der 7. Juli, der Geburtstag meines Vaters. Unglaublich, wie unser Gehirn Erinnerungen festhält. Was damals bedeutend war, ist heute vielleicht nur noch eine Fußnote in der Chronik.

Was das mit unserem Rosenstock (Foto) im Agenturgarten zu tun hat? 30 Jahre ist es her: Ronald Reagan ist Präsident der USA. In Tschernobyl kommt es zur Kernschmelze. Der Schwedische Ministerpräsident Olof Palme fällt einem Attentat zum Opfer. Die Welt feiert 100 Jahre Erfindung des Automobils. Mitterrand und Thatcher planen einen Tunnel unter dem Ärmelkanal. Bei der Fußball-WM in Mexiko verliert Deutschland im Finale 2:3 gegen Argentinien. Dafür gewinnt Boris Becker in Wimbledon. Und im Garten unserer Agentur wird dieser Rosenstrauch gepflanzt, der dieses Jahr ganz besonders prächtig blüht und wunderbar duftet. Reagan, Palme, Mitterand und Thatcher sind längst tot. Die Unwichtigkeit eines gepflanzten Rosenstocks überlebt die Tage bedeutender Erinnerungen.

Und welche Ereignisse sind in Ihrem Kopf wie eingebrannt? SWR1 fragte kürzlich, welches Lied einen besonders geprägt hat, möglicherweise mit einem persönlichen oder eben welt-historischen Ereignis verbunden. Gedächtnis gelenkt vom Gehör. Vom Auge. Oder besonders gerne von der Nase. Wenn ein Geruch in unser Bewusstsein dringt – stark verbunden mit einer Person oder einer Aktion. Doch meistens ist es der Overkill an Bildern. Wir leben in einer stark visuell geprägten Welt. Weil unsere Technik darauf ausgelegt ist: TV, Computer, Handy. Doch wer weiß, was passiert, wenn die Technologie auch Duftreize weiter geben kann. Ein Hurrican auf unseren Geruchssinn. Seien wir gespannt, welcher Sinn das nächste Jahrzehnt bestimmen wird …

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