Dieser Beitrag wird Ihr Leben verändern
Geschrieben von Ute Kretschmer-Risché | Blog

In Sozialen Medien kursiert alles Mögliche. Darunter sind Gerüchte, Fake News, dümmliche Witze, Kalendersprüche, Katzen-Videos und verrückte Weisheiten. Meistens in einer Sprache voller Fehler in Rechtschreibung, Grammatik und Satzbau. Doch wer sich darüber aufregt, wird als arrogant und Teil der abgehobenen Elite beschimpft.

Spätestens jetzt werden Sie ungeduldig! Wenn Sie überhaupt so weit gekommen sind. Sie scharren mit den Füßen: Wann kommt denn nun die Auflösung? Was wird mein Leben verändern?

Geduld. Geduld. Und genau daran mangelt es. In Zeiten von „Sofortness“ will jeder alles gleich wissen. In Facebook wird gefragt: „Weiß jemand, warum ein Polizeiwagen durch meine Straße fährt?“ Antwort bitte dalli dalli!! Egal, ob das jemand weiß oder nicht. Spekulationen vertreiben die Langeweile. Denn diese muss vorherrschen. Oder wer hat schon Zeit, so einen Unsinn zu fragen und zu beantworten?

Hey hey, springen Sie mir nicht ab. Gleich geht es los. Ich verspreche Ihnen Sex and Crime. Zwei Blondinen, ein gefährliches Fahrzeug und einen dramatischen Polizei-Einsatz. Danach werden Sie alles anders sehen!

Bei einem Workshop im „Rastatter Jugendgipfel 2017“ habe ich 17 Jugendlichen erklärt, wie man Fake News entlarvt (Foto). Wie man skeptisch sein sollte bei reißerischen Überschriften und sensationsgeilen Versprechungen („Dieser Beitrag wird Ihr Leben verändern“). Wie und wo man News zum Gegen-Checken googelt. Wie man Fake-Fotos entlarvt. Und welche Voraussetzungen man schulen kann, um im Leben nicht verarscht zu werden.

Wie bitte? Sie fühlen Sich von mir verarscht? Nein, wirklich jetzt kommt es. Gleich. Sofort.

Begleitet wurde der Workshop von zwei Meldungen aus der Region, die sich beide als falsch entpuppten: die angebliche Vergewaltigung eines jungen Mädchens nach einem Festbesuch und eine angebliche Verschleppung von Schülern. In allen Fällen frei von den Kids erfunden. Und jetzt kommt meine Geschichte: Es muss Mitte/Ende der 70er Jahre gewesen sein. Ich war mit meiner älteren Kusine Elke auf dem Fußweg in die Stadt. Plötzlich hielt ein Wagen neben uns, in dem zwei Männer saßen. Der Beifahrer kurbelte die Scheibe runter. Bevor er was sagen konnte, rannte ich schreiend davon. Wie ein geölter Blitz zu meinen Eltern, wo auch Elkes Eltern zu Besuch waren. Elke blieb stehen. Heulend erzählte ich den vier Erwachsenen, dass Elke entführt worden sei!

Mein Vater rief sofort die Polizei. Parallel rannten mein Vater und mein Onkel los. Nach einigen hundert Metern liefen sie direkt in die Arme meiner wohl behaltenen Kusine. Währen die Polizei mit Sirenengeheul dazu stieß! Meine Kusine erklärte ganz ruhig, dass die Männer nur nach dem Weg gefragt hatten … Meine Mutter meinte später: „Phantasie ist nicht immer gut.“

Warum ich jetzt hoffe, dass es Ihr Leben verändert? Weil durch die reißerische Headline vielleicht auch Eltern diesen Beitrag lesen, die in den vergangenen Tagen die Falschmeldungen eifrig weiter gepostet hatten, um andere zu warnen. Und die damit zur Hysterisierung beitrugen! Liebe Eltern, seid Medien-Vorbilder, überlegt bitte, was Ihr tut – in den Sozialen Medien und im wahren Leben! Übrigens: Meine Phantasie trieb immer wieder Blüten und brachte mich in einen kreativen Beruf. Aber einen Polizeieinsatz habe ich nie wieder verursacht!

Übrigens: Mit derartigen Headlines und Vorspännen locken Online-Medien, damit Sie viele Leser und damit Klickraten und Werbe-Einnahmen bekommen. Sehen Sie es mir nach. Und fragen Sie sich selbst: Wann gebe ich meiner Sensationsgier nach?

Was denken Sie über Fake News und Medien-Vorbilder? Schreiben Sie mir …

Foto: Felizian Scharer